Heimkino-Tipp: „Kings“ (2017)

Bond in the Hood
Die 1978 in Ankara geborene und in Frankreich aufgewachsene Deniz Gamze Ergüven hätte ihre Laufbahn als Filmemacherin eindrucksvoller nicht starten können: Ihr 2016 erschienenes Drama „Mustang“ erzählt von fünf jungen Schwestern, die in einer Kleinstadt 600 Kilometer nördlich von Istanbul aufwachsen und später einem spontanen Bad hinein Meer, bei dem auch männliche Schulkameraden anwesend sind, von ihrer strengen familie bitterlich bestraft werden. Ein leiser Film, zwischen dessen optisch schöner Oberfläche es pausenlos brodelt, bis es zur Katastrophe kommt. 2016 für den „Auslands-Oscar“ nominiert, waren die Erwartungen eingeschaltet Ergüvens Nachfolgewerk – zumindest bei mich – sehr groß. Gardine auf für „Kings“!

Interessanterweise vor „Mustang“ geplant, musste die Regisseurin/Autorin das Fabrik zunächst verschieben, dort sich selbst keine Finanziers fanden. Wenig verwunderlich, behandelt „Kings“ doch einen wunden Punkt in Amerikas neuerer Geschichte: die Unruhen in Los Angeles 1992. Ausgelöst durch den skandalösen Freispruch von vier Polizisten, die bei einer Fahrzeugkontrolle den Afroamerikaner Rodney King misshandelten und mit endlosen Schlägen traktierten, entlud sich selbst die Frust die vor allem schwarzen Bevölkerung hinauf mehrere Tage und forderte neben etlichen Verletzten auch mehrere Todesopfer. „Kings“ setzt wenige Tage zuvor beliebig und beschreibt die Ereignisse aus die Sicht die alleinerziehenden Millie (Halle Berry), die in ihrem Heimat Pflegekinder aufgenommen hat und versucht, ihnen eine glückliche Kindheit zu ermöglichen. Angesichts die beständigen Gewaltausbrüche sowohl von Bürgern als auch Gesetzeshütern kein leichtes Unterfangen. Zumal ihr Nachbar, die trinkfreudige Autor Obie (Daniel Craig), mit seinen Wutausbrüchen die gereizte Stimmung weiter anheizt.

Anliegen Top, Umsetzung Flop: Selten habe ich persönlich einen inhaltlich derartig zerfaserten Film gesehen. „Kings“ hat den Anspruch, die Geschehnisse aus verschiedenen Perspektiven darzustellen, vermag es jedoch nicht, daraus beliebig kohärentes Ganzes zu formen. Beständig wechselnd zwischen einzelnen Figuren und Stimmungen entsteht vielmehr die Eindruck, Ergüven hat hier mehrere Drehbücher zusammengeworfen und anschließend versucht, daraus etwas Sinnhaftes zu kreieren. Keine die auftretenden Personen besitzt charakterliche Tiefe, vielmehr stürmen sie durch Szenen, die wie einzelne Stationen in einem Hindernisparcours wirken, die ihnen vom Skript vor die Nase gesetzt wurde. Warum sie zu diesen und jenen Handlungen/Taten tendieren, wird nie erklärt.

Besonders eingeschaltet ‚Obie‘ wird dies offensichtlich: Als ungepflegter Misanthrop hinein Film eingeführt, nimmt er sich selbst eines Tages ohne weitere Erklärung die verhassten Kinder seiner Nachbarin an, die daraufhin einen überaus verstörenden Sextraum von ihm hat und ihn fortan mit verliebten Augen anguckt. Ebenso rätselhaft bleibt die Fakt, dass Obie scheinbar die einzige Weiße in einem vornehmlich von Schwarzen bewohnten Viertel ist. Warum lebt er dort, wenn er seine Milieu so hasst? Was veranlasst ihn dazu, diverse Ausstattung laut schimpfend von seinem Balkon zu werfen? Wenn Millie und Obie, daher Ex-Bondgirl Berry und aktueller Bond-Mime Craig, eingeschaltet anderer Stellung dann auch noch zusammen eingeschaltet eine Straßenlaterne gekettet werden und dabei erzwungenermaßen Teile ihrer Garderobe ablegen müssen, verspielt Ergüven den letzten Funken Glaubhaftigkeit – trotz stets wieder eingestreuter Dokumentarfilmaufnahmen die wahren Ereignisse.

Je länger die ohnehin kurze Streifen (92 Min.) voranschreitet, desto mehr erhärtet sich selbst die Verdacht, dass das Endprodukt nur beliebig Bruchteil des eigentlich geplanten Films ist. „Kings“ wirkt episodenhaft, abgehackt, unvollständig. Kurzum: meilenweit vom großartigen „Mustang“ entfernt, die so meisterhaft Nuancen herausgearbeitet hat.

Eine große Enttäuschung, die den Beinahe-Bürgerkrieg des L.A. von 1992 lediglich als Hintergrund für eine unausgegorene Erzählung nutzt, die ziel- und orientierungslos umherirrt. Vielleicht war dies die Grund, warum zunächst niemand „Kings“ finanzieren wollte. Zum Glück war es nicht Deniz Gamze Ergüvens Debüt, denn dann hätte es „Mustang“ mutmaßlich nie gegeben.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film u.a. in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung und diverse Untertitel. Extras sind keine vorhanden. „Kings“ erscheint bei Universal Pictures Germany GmbH und ist seit 30. August 2018 erhältlich. (Packshot + stills: © Universal Pictures)

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