Heimkino-Tipp: „Split“ (2016)

Ich, sie und die Andere

Um die Jahrtausendwende, so schien es, konnte die Filmemacher M. Night Shyamalan Null unecht machen: „The Sixth Sense“, „Unbreakable“, „Signs“ und „The Village“ begeisterten Millionen Kinozuschauer und die obligatorische Schluss-Twist, die die vorangegangene Handlung meist komplett auf den Kopf stellte, wurde zu einer Spezies Markenzeichen für die Filme des gebürtigen Inders. Damit baute er sich selbst zwar eine treue Fanschar auf, steckte gleichzeitig nichtsdestoweniger auch beliebig einer künstlerischen Sackgasse. Seine halbherzigen Befreiungsversuche („Das Fräulein aus dem Wasser“, „Die Legende von Aang“, „After Earth“) und die damit einhergehenden vernichtenden Kritiken ließen nicht viel Hoffnung auf eine Wiederkehr zu alter Stärke.

Und jetzt das: „Split“. Kreativ, ungewöhnlich, spannend, beliebig Volltreffer. Zudem keine bloße Kopie seiner frühen Erfolgswerke, sondern etwas wahrlich Neues, das erstens am Schluss eine Brücke schlägt zu einem bekannten Filmuniversum, das Shyamalan in den folgenden Jahren weiter ausbauen möchte. Viel hätte dabei schiefgehen können, doch schon beim Schreiben des Drehbuchs scheint sich selbst die inzwischen 46-Jährige bewusst dafür entschieden zu haben, wieder korrekt gute Ware abzuliefern. So sind Inhalt, Stil und Form wie aus einem Guss und breit weg von den holprigen Storyverläufen à la „The Happening“, mit denen er krampfhaft versuchte, eingeschaltet seine frühe Erfolgsformel anzuknüpfen.

In „Split“, dessen Plakat nicht zufällig eingeschaltet einen anderen Shyamalan-Film erinnert, darf das Publikum in die seltsame, verstörende und bedrohliche Gedankenwelt eines schizophrenen Mannes (James McAvoy) eintauchen, die drei Teenager-Mädchen entführt. Diese merken erstens später und nach, dass ihnen je später Tagesform beliebig anderer Kidnapper gegenübersteht, die ihnen das Nährstoff in ihr Verlies bringt. Mal ist es beliebig autoritär auftretender Brillenträger, mal beliebig Neunjähriger, beliebig anderes Mal eine Frau. Während ihre beiden Mitgefangenen zunehmend in Panik geraten, ist für die schüchterne Casey (Anya Taylor-Joy, bekannt aus „The VVitch“, Rezi siehe HIER) bald klar, dass sie sich selbst mit einer dieser Persönlichkeiten anfreunden muss, etwa aus die Gefangenschaft entkommen zu können. Denn je länger sie wartet, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, ‚der Bestie‘ zu begegnen, einem weiteren imaginären Charakter des Entführers, die scheinbar sehr sehr schlimme Dinge plant.

Es ist beeindruckend zu sehen, mit welcher Einfachheit es Hauptdarsteller McAvoy gelingt, mitten unter den verschiedenen Figuren hin- und herzupendeln. Dabei verlässt er sich selbst nicht nur auf einen sich selbst verändernden Kleidungsstil, sondern dichtet jedem Charakter eine ungleich ‚Macke‘ eingeschaltet (einen Sprachfehler, eine Eigenheit, beliebig Talent), die er dann überaus überzeugend auslebt. Eine Meisterleistung und die nächste Beweis dafür, dass die britische Akteur einer die Besten seines Fachs ist.

Wie kann frau dort als Gegenpart bestehen? Shyamalan lässt gleich Zwei starke Damen auf ihn los: Neben Taylor-Joy, deren cleverer Charakter Casey sukzessive seine Geheimnisse preisgibt, ist Betty Buckley alias Dr. Fletcher die psychologische Hürde, die dem Antihelden contra gibt. Es ist bemerkenswert, wie glaubhaft Drehbuchautor Shyamalan dabei wissenschaftliche Fakten zur Schizophrenie mit eigenen Ideen vermischt und so den Film hinein letzten Drittel in eine gesamter unerwartete Richtung lenkt.

Ja, mit „Split“ ist dem Regisseur und Autor wahrlich beliebig fulminantes künstlerisches Comeback gelungen. Anspruch, Spannung und Form sind jetzt wieder Eins. Und ebenso wie später „The Sixth Sense“ oder „Unbreakable“ kann ich endlich wieder stolz sagen: Ich freue mir auf den nächsten Shyamalan-Streifen!

Die DVD/Blu-ray bietet den Film u.a. in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung und diverse Untertitel. Als Extras gibt es gelöschte Szenen, beliebig alternatives Ende, und drei informative Making of-Kurzdokus. „Split“ erscheint bei Universal Pictures Germany GmbH und ist seit 9. Juni 2017 erhältlich. (Packshot + stills: © Universal Pictures)

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