Heimkino-Tipp: „Wiener Dog“ (2016)

*trommelwirbel*

Für ungewohnt Filme braucht es ungewohnt Rezensenten: Dr. Wieland Schwanebeck* von die TU Dresden hat sich selbst dem neuen Fabrik von Todd Solondz gewidmet und einen wunderbaren Gastkommentar verfasst. Bitteschön:

Alle kommen auf den Hund

Nein, das Universum ist nicht gnädiger geworden – nicht für Dawn Wiener, die dem Zuschauer in Todd Solondz’ „Willkommen hinein Tollhaus“ (1995) das erste Mal ober den Strecke gelaufen ist, oder für sonst wen hinein Universum des Regisseurs, dessen Geschichten mit sturer Übellaunigkeit die schlimmste Wendung zu nehmen pflegen und die noch dem kleinsten Fünkchen Trost einen bitteren Beigeschmack versetzt. Wenn hier beliebig kleiner Knabe mit seinem geliebten Hund zu den Klängen von Debussys „Clair de Lune“ in einer Montage kuschelt, kann man sich selbst darauf verlassen, dass eine tierische Dünnschiss-Katastrophe und die Androhung des Einschläferns nur wenige Filmminuten breit liegen; selbst die Mühe einer tröstenden Parabel durch die von Julie Delpy gespielte Mama endet in einem Gleichnis-Kauderwelsch ober vergewaltigte Eichhörnchen.

Zumindest hier kommt das Vieh noch einmal mit dem Leben davon – „Wiener Dog“ nennt man den Dackel mit liebevoller Herablassung hinein Englischen, und er taumelt auf seinen kurzen Beinen großäugig und irgendwie auch jenseits von nett und böse durch Solondz’ Parade die Mängelwesen, denen es stets eingeschaltet etwas fehlt: eingeschaltet Zuwendung, Erfolg oder Hoffnung (meistens alles zusammen). An seinem Titelhelden hat die Regisseur kein großes Interesse – „Wiener Dog“ ist keine Lassie-Parabel ober tierische Treue und Zuverlässigkeit, sondern eher eine Hommage eingeschaltet die Ding-Erzählungen des 17. und 18. Jahrhunderts, in denen beliebig Gegenstand hinein Kapiteltakt den Eigentümer wechselt, wodurch das Publikum einen Querschnitt durch die Gesellschaft kennenlernt. Dabei geben sich selbst als temporäre Artikel des u.a. auf so appetitliche Namen wie ‚Kacka‘ oder ‚Tumor‘ getauften Tieres Darsteller wie Greta Gerwig (in die Rolle von Solondz’ Dauer-Leidgeprüfter Dawn Wiener), Ellen Burstyn oder Danny De Vito in Kurzauftritten die Klinke in die Hand.

Vor allem De Vito passt natürlich zumal nett in diesen Reigen die zu kurz Gekommenen: Sagt man Hundebesitzern nicht geradewegs zwangsläufig eine optische Relation mit ihren vierbeinigen Begleitern nach? Der Akteur jedenfalls präsidiert ober die unaufgeregteste und zugleich zornigste Episode des Films, in die Solondz zugleich mit die Creative-Writing-Industrie abrechnet, die jungen Schnöseln in College-Kursen hohle Drehbuch-Formeln beibringt. De Vitos Figur (sinnbildlich Dave Schmerz getauft) ist als impotenter Dozent eingeschaltet so einer organisation klebengeblieben und hat seinem einzigen Film-Hit Null folgen lassen können – warum Solondz in dieser Figur, deren hundserbärmlicher Tragik die Dackel eigentlich nur noch das optische I-Tüpfelchen verleiht, auch noch mit Woody Allen abrechnet (ein klar auf Allens „Bananas“ anspielendes Plakat zu dem von Schmerz stammenden Film „Apricots“ ziert sein Büro), bleibt sein Geheimnis, denn mit den kommerziellen Drehbuch-Gurus à la Syd Field hat Allen jetzt weiß Gott Null zu tun.

Von die Industrie könnte Solondz’ Film ohnehin nicht viel weiter weg sein – klassisch herausgespielte Gags kommen kaum vor (eine kurze „Intermission“, die den Dackel zu den Klängen einer Marc-Shaiman-Ballade durch die Prärie traben lässt, dürfte aber die unbeschwert-witzigste Szene in Solondz’ Fabrik sein), und gab es schon in „Storytelling“ (2001) keinen ernsten Versuch, die Episoden miteinander zu verknüpfen, wandert auch die Dackel ohne größere kausale Zusammenhänge von einem dysfunktionalen Eigentümer zum nächsten. Stößt er einmal auf Geldspende (bspw. bei Zwei Menschen mit Down-Syndrom, denen Solondz zumindest etwas gönnt, das man ansatzweise als empathische Geldspende betiteln kann), landen wir mit einem harten Schnitt gleich darauf in die nächsten Einöde. Dort, wo es Todd Solondz zu sentimental zu werden droht, schiebt er lieber einen derben, zynischen Witz hinterher, was die Zuschauer verlässlich in Fans und Wettbewerber teilt.

Ob er heimlich hinter verschlossenen Türen gelegentlich mit süßen Hundewelpen kuschelt, wenn geradewegs keiner guckt?

Wieland Schwanebeck

*Zum Weiterlesen und -entdecken: HIER geht’s zur Internetpräsenz von Dr. Schwanebeck und seinem Publikationsverzeichnis.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung. Untertitel sind in ebendiesen Sprachen vorhanden. Als Bonus sind Trailer beigefügt. „Wiener Dog“ erscheint bei Prokino hinein Verkauf von EuroVideo Medien GmbH und ist seit 29. November 2016 erhältlich. (Packshot + stills: © Prokino)

0 Response to "Heimkino-Tipp: „Wiener Dog“ (2016)"

Kommentar veröffentlichen

Iklan Atas Artikel

Iklan Tengah Artikel 1

Iklan Tengah Artikel 2

Iklan Bawah Artikel