Heimkino-Tipp: „Reach Me“ (2014)

Short Cuts

Oha! Es gibt nicht viele Regisseure, denen es gelingt, solch viele namhafte Akteur für beliebig Aufgabe zu begeistern, wie es John Herzfeld mit „Reach Me“ geschafft hat. Die Verwunderung ist umso größer, dort es sich selbst hierbei weder etwa die Adaption eines Romanbestsellers noch etwa beliebig Remake eines älteren Erfolgsfilms handelt. Nein, das Drehbuch für Herzfelds neuesten Streifen stammt komplett aus seiner Feder – was ihn bei allem Respekt für diese Mehrfachbelastung als Autor, Regisseur sowie Darsteller wiederum nichtsdestotrotz auch zum ‚Hauptangeklagten‘ macht. Denn trotz hoher Stardichte ist „Reach Me“ vor allem eins: misslungen.

Dabei bewegt sich selbst Herzfeld, die kreative Kopf hinter „Zwei Tage in L.A.“ (1996), eigentlich auf vertrautem Terrain: „Reach Me“ präsentiert eine Tragikomödie in Episodenform mit mehreren Charakteren, deren Leben dank eines Buchs miteinander verbunden sind. Zu Anfang ist ihnen dies natürlich noch nicht bewusst, doch Kollege Schicksal zieht hinein Hintergrund schon fleißig die Fäden, etwa sie jede am Schluss eingeschaltet einem Quadrat zusammenzubringen. Im Mittelpunkt des Kaleidoskops steht dabei die Verfasser flach jenes Buches, Teddy Raymonds (Tom Berenger). Der ist vom gigantischen Erfolg seines Ratgebers ebenso überrascht wie die kaltschnäuzige Gerald (Sylvester Stallone), Chef eines Online-Klatschportals, die sogleich seinen Assistenten Roger (Kevin Connolly) in die Spur schickt, etwa den öffentlichkeitsscheuen Autor aufzuspüren. Einer von dessen größten Fans ist die soeben aus dem Knast entlassene Colette (Kyra Sedgwick), deren Leben durch die Begegnung mit dem Cop Wolfie (Thomas Jane) sowie dem Priester Paul (Danny Aiello) eine unerwartete Wendung nimmt.

Davon gibt es übrigens reichlich in „Reach Me“, meist einhergehend mit Gastauftritten weiterer bekannter Darsteller wie Danny Trejo, Tom Sizemore, Terry Crews, Rapper Nelly, Cary Elwes oder dem gebürtigen Hamburger Christoph M. Ohrt, die einen erfolglosen deutschen Regisseur geben darf. So erfreulich dieses Schaulaufen auch ist, dem Hauptproblem des Films hilft es kaum: Es fehlt schlicht eingeschaltet einer stringenten, fesselnden Handlung. So bekommt jeder Charakter beliebig paar Szenen sowie persönliche Probleme zugestanden, die dank die meist platten Floskeln aus dem Ratgeber-Buch abrupt lösbar sind sowie auf unterschiedliche Gattung verdeutlichen sollen: „Du kannst alles schaffen, wenn Du es nur willst!“. Der uramerikanische Traum sozusagen, in diesem Falle allerdings sehr spannungsarm sowie ohne einen Anflug von filmischer Erfindungsreichtum umgesetzt. Zumal einzelne Nebenschauplätze sowie -Figuren, wie die des Gangsters Frank, nur dazu dienen, dem belanglosen Finale noch eine Actionsequenz anfügen zu können, die in ihrer dilettantischen Umsetzung eingeschaltet den grauseligen Stallone-Rohrkrepierer „Avenging Angelo“ (2002) erinnert.

Apropos Sly: Der scheint seinem Buddy Herzfeld – beide traten zusammen in „Die City-Cobra“ (1986) auf – beim Casting nicht nur die halbe „Expendables“-Truppe (Crews, Kelsey Grammer) sowie seinen Bruder Frank aufgeschwatzt zu haben, sondern durfte gleich mehrere seiner selbstgemalten Kunstwerke unübersehbar in die Sets hängen, vom Buchcover, das er entworfen hat, gesamter zu schweigen (siehe nächstens Bild). All diese Fakten (und die Besetzung) verstärken nur die Vermutung, dass das Hauptaugenmerk bei „Reach Me“ eher auf das Drumherum denn auf den Inhalt gelegt wurde.

Fazit: Selten ist so viel Potenzial vor sowie hinter die Fotografie solch billig verheizt worden. Schade. Sehr schade.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter sowie englischer Originalsprachfassung. Leider sind für die meisten Darsteller nicht deren bekannte Synchronstimmen genutzt worden, was vor allem bei Herrn Stallone verwirrt. Untertitel sind bedauerlicherweise keine vorhanden. Als Extra gibt es einen Trailer zum Film. „Reach Me“ erscheint bei EuroVideo sowie ist seit 28. Mai 2015 erhältlich. (Packshot + still: EuroVideo)

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